Lifestyle

Sarah Wieners Berliner Holzofenbäckerei

Das schmeckt wie in meiner Kindheit!


(Quelle: Mario Graß)
GDN - Seit eineinhalb Jahren kann die Berliner Bevölkerung ein neues Angebot von Köchin und Unternehmerin Sarah Wiener genießen und sich mit Kuchen, Gebäck und Broten in Bioqualität versorgen. In der Holzofenbäckerei in der Tucholskystraße habe ich mich mit dem Geschäftsführer vom “Wiener Brot“ getroffen.
Quelle: Mario Graß
Als ich am Morgen die Bäckerei “Wiener Brot“ in Berlin-Mitte betrete, bin ich zunächst überrascht von den bescheidenen Ausmaßen des Ladenraumes. Bei einer Bäckerei, die vor noch gar nicht langer Zeit eröffnet wurde, erwartet ich mittlerweile unwillkürlich eine Art Café mit Sitzgelegenheiten, sanfter Musik, die gerade laut genug aus den Lautsprechern ertönt, um mir auf die Nerven zu fallen, einem Holzregal, bestückt mit diversen Tageszeitungen und aktuellen Zeitschriften und einer Auslage die von Torte, über belegte Brötchen bis hin zu warmen Nudelgerichten kaum einen kulinarischen Wunsch offen lässt. Doch nicht so im “Wiener Brot“. Hier findet man genau das vor, was man absurderweise kaum noch erwartet: eine Bäckerei.
Quelle: Mario Graß
Vor der mit belegten Brötchen, Kuchen und Gebäck bestückten Glasvitrine, hinter der Frau Behm auf hungrige Abnehmer wartet, steht der wartenden Kundschaft lediglich ein schmaler, mit dekorativen Steinfliesen versehener, Streifen zur Verfügung. Für einen Tisch mit Stühlen wäre ganz sicher nicht ausreichend Raum vorhanden. Das Warensortiment erscheint mir genau angemessen: Derart überschaubar, dass ich nicht erschlagen bin, aber doch so breit gefächert, dass die Auswahl schwerfällt. Da ich noch nicht gefrühstückt habe, und noch ein wenig Zeit, bis zum verabredeten Termin bleibt, ordere ich ein belegtes Brötchen, mit dem ich mich in die hinterste Ladenecke, von wo aus ich ein wenig das Geschehen beobachte, begebe.
Etwa im Fünf-Minuten-Takt betritt ein Kunde den Laden. Die Begrüßung erfolgt freundlich, manchmal herzlich. Man scheint sich zu kennen. Als ein junger Mann eintritt, wendet sich Frau Behm sogleich zur bereitstehenden Espressomaschine um. Sie weiß, dass der Kunde, wie jeden Morgen, einen Espresso mit auf seinen Arbeitsweg nehmen möchte. Im “Wiener Brot“ scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Es ist eine Bäckerei, wie ich sie fast nur noch aus Filmen und Werbespots kenne. Ich warte förmlich darauf, dass endlich ein kleiner blonder Junge mit Nickelbrille, in der Hoffnung auf ein leckeres Karamellbonbon, den Laden betritt und hege kaum Zweifel, dass Frau Behm für diesen Fall eines in der Tasche ihrer Schürze bereithält.
Das Unternehmenskonzept scheint voll und ganz aufgegangen zu sein. Herr Ribbeck, der Geschäftsführer der Bäckerei, erzählt mir später, dass man viel Zeit und Mühe in die Gestaltung des Ladens investiert habe. Ebenso sorgfältig sei die Auswahl der Verkäuferinnen - die keinesfalls zu unterschätzen sind, was die Atmosphäre, die eine Bäckerei ausstrahlt, betrifft - erfolgt. Das erklärte Ziel sei es von Anfang an gewesen, eine Art Knotenpunkt im näheren Umkreis zu erschaffen, zu dem die Menschen gerne kommen.
Quelle: Mario Graß
“Aus deutschem Demeter-Getreide, Wasser und Luisentaler Tiefensalz “¦ und sonst nichts. Im Holzofen gebacken. Das ist Wiener Brot.“, steht in geschwungener Schrift an der Rückwand, oberhalb der Brotregale, geschrieben. “Wiener Brot“ - ein Wortspiel, das an die österreichische Hauptstadt, wie auch an die Inhaberin Sarah Wiener erinnern soll. Diese steht für gesunde Ernährung, Nachhaltigkeit und Regionalität. Daher finden in ihrer Bäckerei ausschließlich Biozutaten Verwendung. Das Mehl für das Brot stammt beispielsweise aus einer Demeter-Mühle in der Nähe von Uelzen. Viele der weiteren Zutaten werden aus Brandenburg bezogen.
Quelle: Beth Jennings
In der Backstube wird noch ursprüngliche Handarbeit verrichtet. Die Brote und Gebäckstücke werden von Hand geformt und in einem mit Holz befeuerten Steinofen gebacken. Drei Jahre habe man herumexperimentiert, bis man den kleinen Laden endlich eröffnet habe, berichtet Herr Ribbeck. Am Anfang stand Sarah Wieners Vision von einer Bäckerei, ganz nach ihren Vorstellungen. Doch irgendwann wurde deutlich, dass die oftmals idealistischen Einfälle der Fernsehköchin, mit handwerklichen Know-how in Einklang gebracht werden müssen. Schließlich fand man mit Helmut Gragger, einen erfahrenen Holzofenbäcker, der das Team, das aus fünf Bäckern, einem Auszubildenden sowie fünf Verkäuferinnen besteht, komplettierte, um Sarah Wieners Ideen zu realisieren.
Quelle: Beth Jennings
Der zehn Tonnen schwere Ofen, in dem mit Ausnahme der angebotenen Torten, sämtliche Produkte gebacken werden, bildet das Herzstück der Backstube. Sarah Wiener war es wichtig, keine fossilen Rohstoffe zu nutzen. Die Befeuerung mit Holz führt jedoch unglücklicherweise auch zu Problem, denn bei ungünstigen Wetterbedingungen kann es vorkommen, dass der entstehende Rauch nach unten gedrückt wird, was wiederum zu Geruchsbelästigungen führt und zwangsläufig Auseinandersetzungen mit der Nachbarschaft zur Folge hat. Ein baldiger Umzug der Backstube in ein Gewerbegebiet scheint daher unvermeidlich.
Quelle: Beth Jennings
Doch darüber hinaus birgt solch ein Ofen auch für die Bäcker seine Herausforderungen, denn die Hitze verteilt sich, im Gegensatz zu elektrisch betriebenen Öfen, nicht gleichmäßig im Innenraum. Der verantwortliche Bäcker muss daher sehr wachsam sein und das Brot zum jeweils erforderlichen Zeitpunkt wenden. Da der Ofen, um eine optimale Isolierung zu erreichen, nicht mit einer Glasscheibe ausgestattet, und somit nicht einsehbar ist, muss man dafür ein Gefühl entwickeln.
Quelle: Beth Jennings
Beim Hausbrot, dem sogenannten “Wiener Brot“, handelt es sich um ein kräftiges, mit Anis, Fenchel und Kümmel gewürztes, Brot. “Es ist ein ursprüngliches Brot. Es hat Charakter.“, verdeutlicht Herr Ribbeck. Der Holzofen verleihe ihm seine knusprige Kruste und somit auch eine überaus lange Haltbarkeit. Trotz anfänglicher Bedenken aufgrund der beachtlichen Größe, der ungewohnten, flachen Form und des kräftigen Geschmacks, werde es von der Kundschaft sehr gut angenommen.
Einmal stellte ein Kunde fest: “Das schmeckt ja genau wie in meiner Kindheit!“ “Das sind natürlich die Momente, in denen wir uns richtig freuen“, bekundet Herr Ribbeck. Denn das war die ursprüngliche Vision von Sarah Wiener: die Menschen wieder an einen natürlichen, ursprünglichen Geschmack, ohne chemische Zusätze und Geschmacksverstärker, heranzuführen.
Quelle: Beth Jennings
Auf eine mögliche Expansion, in Form von weiteren Filialen, angesprochen, äußert sich Herr Ribbeck verhalten. Der Gedanke ist ihm offenkundig nicht fremd, aber das brauche seine Zeit, denn man wolle eben nicht in die Falle tappen und am Ende nicht unterscheidbar von den gängigen Bäckereiketten sein. Ein wichtiger Gedanke, den man Sarah Wiener gerne mit auf ihren Weg geben möchte, denn mit einer Expansion geht nicht selten auch Glaubwürdigkeit und Qualität verloren. Zudem wollen auch erst einmal Verkäuferinnen mit der Herzlichkeit einer Frau Behm - die ich beabsichtige, bei meinem nächsten Besuch, nach einem Wiener Brot und einem Karamellbonbon zu fragen - gefunden sein.

weitere Informationen: https://www.wienerbrot.de

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